Hübsches Burgpflaster für Gussow
3. September 2003 Nachdem die neue Brücke über den Landgraben und die etwa 500 Meter lange Ortsdurchfahrt fertig sind, steht die Freude den Repräsentanten ins Gesicht geschrieben. Für andere dagegen war es das Schicksalsprojekt.
Vorbei und vergessen. Kein Schilderwald mehr und kein Sandverdichter, der im Morgengrauen lärmend Kunde gibt. Längst verzogen auch die Dunstglocke aus Straßenstaub. Bürgermeisterin Nitsche kann sich freuen, nachdem sie, so wird berichtet, ein Dreivierteljahr lang über „ihre“ Baustellen gewacht habe. Immerhin wurde „ihrem“ Ort eine stattliche Investition zuteil. Für Straße und Gehweg ließ der Landkreis insgesamt 316.000 Euro springen. Dazu kamen noch einmal 199.000 Euro für die Brücke über den Landgraben, die neben der Straßenverbindung auch zwei Gänge für die in der Region selten gewordenen Otter, umfasst. Insgesamt belief sich die Investitionssumme damit auf mehr als eine halbe Million Euro.
Den Zuschlag erhalten hat die Firma LTS Halbe. Ihrem Geschäftsführer Andreas Wenzel zufolge, hatte das Unternehmen bei der Umsetzung der Vorgaben mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Aufgrund des morastigen Baugrundes musste man den Grund bis zu einer Tiefe von acht Metern verfestigen, um die Stahl-Spundwände standsicher in die Erde treiben zu können. Hinzu kommt: Trotz des Rekordsommers stand das Grundwasser hoch – zu hoch, um die Straßeneinläufe zu setzen. Es musste daher aufwändig abgesenkt werden. Wetterkapriolen auch im Winter: Unmittelbar vor dem geplanten Aufbringen der ersten Asphaltschicht setze Frost ein. Wenzel musste rasch umdisponieren. Anstelle der Asphaltierung nahm er kurzerhand den auch bei Minusgraden möglichen Brückenabbruch auf seine Agenda.
Die Ausführenden indes, die Bauarbeiter vor Ort, hatten das Nachsehen. Vielen von ihnen wurde noch während des Projektes gekündigt. Im Gegensatz zu ihren Repräsentanten in Nadelstreifen nicht daran gewöhnt, öffentlich Achtung zu erfahren, waren sie, ihre Leistung, ihre Kündigung, auch für die Zeitungen kein Thema. Diese lenkten den Blick des Leser stattdessen auf Aussagen wie diese: „Das Ensemble wird durch teilweise beidseitige Gehwege komplettiert, bei denen die Gemeinde hübsches Burgpflaster verwendete“.
Am Rande der feierlichen Übergabe treffen sich zwei der Bauarbeiter noch einmal am Ort des Geschehens, das ihre gesellschaftliche Stellung besiegelte. Zu ihnen gesellt sich auch ein Gussower Einwohner. Mit dem Satz der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ konfrontiert, reagieren sie verbittert: „Ganz schön weltfremd diese Schreiberlinge. Das mit der Straße und der neuen Brücke war notwendig. Doch das teure Pflaster hätten die sich sparen sollen. Wer soll denn dort gehen? Der ist ja kaum dreißig Zentimeter breit“, lautet die Klage. Und was macht die Arbeit? „Die geht weiter, nur ohne uns.“
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