Ein Wochenende in der Gemeinde Heidesee (Teil I)
14. Mai 2004 Die Mark Brandenburg ist eine Landschaft für Eingeweihte. Sie erschließt sich dem Menschen, der Augen hat für die Schönheit einer Wiese, für eine alte Dorfkirche, für den kreisenden Bussard in den Lüften. Fontane hat uns vorgelebt, wie dieses Land entdeckt werden will, mit, Liebe zu Land und Leuten, gemächlich, ohne, Voreingenommenheit, erfüllt von dem Willen, „das Gute zu finden, anstatt es durch krittliche Vergleiche totzumachen.“ Heute mehr denn je hält diese Landschaft „krittliche Vergleiche“ aus. Wer Paris und die Alpen gesehen hat, wer sich täglich im Stau über die Straßen Berlins quält, hat gelernt, wie wenig die Sensationen bedeuten. Er sucht Stille und unberührte Natur. „Noch gibt es dichtgrüne Waldrücken, stille Morastflecken, nistende Schwäne“, schreibt die Schriftstellerin Christine Wolter über die märkischen Seen, eine Landschaft, die unberührt blieb bis in die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts, als sie von lufthungrigen Berlinern entdeckt wurde. Von Industrie verschont blieb sie bis heute.
Schön ist es hier überall. Doch vielleicht reisen Sie mit uns in drei, vier kleine Orte, wo Sie finden werden, was die Mark so reizvoll macht, Seen und Flüsse, den kleinen Badestrand gleich neben dem Gutspark, den Schilf gedeckten Hof mit dem Hausrat unserer Großeltern und die verschlafene Dorfaue. Und dazu doch noch einiges von dem, was das 20. Jahrhundert hinzu gegeben hat: in Friedersdorf den Segelflugplatz, auf dem man selber Pilot werden kann, in Blossin einen großen Boots- und Yachthafen, in Prieros das Gestüt mit der berühmten Traberzucht. Wie Fontane kann man diese Landschaft durchwandern, bequem an einem Tag: drei Kilometer sind es von Friedersdorf bis Blossin, neun von Blossin bis Prieros. Ein Wochenende schon genügt, die Seele baumeln und die Augen sich satt trinken zu lassen. Wer lieber aktiv sein möchte, betrachtet von oben, aus den Lüften das Land, reitet durch stille Kiefernwälder, segelt hart am Wind. Einladend ist die Gegend um Friedersdorf im Sommer, lieblich im Frühling, wenn die Stuten mit ihren Fohlen auf die Weide kommen, von seltenem Reiz aber im Winter. Oft liegen dann die Kiefernwälder in tiefem Schnee und die Prieroser Heide verwandelt sich in eine ideale Langlaufpiste. Wenn man Glück hat, sieht man bei strengem Frost sogar, wie sich in der Mitte des Wolziger Sees das Eis hebt und eine meterhohe Eiswand bildet. „Da ist de Sau hochjejangen“, sagen dann die Einheimischen.
Doch bevor wir uns ins Vergnügen stürzen, gönnen wir uns die Vorfreude und lesen bei Fontane, was uns erwartet: „Die Uferstill und einförmig. Nur dann und wann ein Gehöft, das sein Strohdach unter Eichen versteckt; dahinter ein Birkicht, ein zweites und drittes, kulissenartig in die Landschaft gestellt. Am Horizonte der schwarze Strich eines Kiefernwaldes. Sonst nichts als Rohr und Wiese und ein schmaler Gerstenstreifen dazwischen; ein Habichtpaar in Lüften, das im Spiel sich jagt; von Zeit zu Zeit ein Angler, der von seinem Boot oder einem halbverfallenden Steg aus die Schnur ins Wasser wirft.“
FRIEDERSDORF. In Friedersdorf beginnt die Reise, denn Friedersdorf ist noch verbunden mit den großen Städten. Keine Stunde braucht der Autofahrer von Berlin, nicht viel mehr, kommt er von Potsdam. Auf der Autobahn geht es bis zum Dreieck Spreeaue, dann weiter in Richtung Frankfurt, und schon an der ersten Abfahrt liegt Friedersdorf. Man kann auch mit dem Zug anreisen. Die S-Bahn fährt bis Königs Wusterhausen, von dort nimmt man den Vorortzug, der nach 17 Minuten in dem kleinen Bahnhof hält. Weiter auf Seite 2»
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