Feierabend am Hausherd. Eine Heimatplauderei aus dem Teltow
von Karl Demmel
21. Mai 1939 Kennen Sie Gussow? Viele Berliner sind schon in diesem Dorfe gewesen, aber die Leute aus dem Teltow, die ihre landwirtschaftliche Scholle nicht recht los lässt, kennen es doch weniger.
Nach Gussow ist es „zu Lande“ etwas beschwerlich hinzukommen, wenn man nicht Glück hat, im Autobus zu fahren. Sonst aber ist es im Sommer vornehmlich auf dem Wasserwege möglich; denn Gussow ist Dampferanlegestelle und somit Ausflugsort. Man kann also von Berlin bis Gussow mit dem Dampfer fahren, Idealer geht es nicht!
Nun sind wir auch in Gussow, und zwar sind wir zu Fuß auf dem Wege von Gräbendorf gekommen. Von Gräbendorf sind es gut drei Kilometer Weg. Rechts sehen wir die Gussower Heide und links haben wir einen Blick in weites Wiesenland. Wir halten auch hier vergeblich nach einem Kirchturm Ausschau und haben an diesem Wandertage bisher überhaupt noch keinen solchen entdeckt, weder in Zeesen, noch in Pätz, in Gräbendorf nun auch nicht.
Eine Kirche ist in Gussow ebenfalls nicht anzutreffen, denn die Bewohner sind seit undenklichen Zeiten nach Gräbendorf eingepfarrt. Nur eine Schule, ein schlichtes Backsteinhaus, an der ein Lehrer unterrichtet, ist hier. Ferner finden wir im Dorfe zwei Gastwirtschaften. Als wir durch den Ort wandern, wird gerade an dem neuen Spritzenhaus gebaut. Das alte macht auch schon einen recht müden Eindruck. Möge das neue niemals zu einem Brande geöffnet werden müssen!
Besondere Sehenswürdigkeiten baulicher Art hat also Gussow nicht aufzuweisen. Wir sehen dafür aber einige alte, stattliche Bauernhäuser voll Ehrwürde und Tradition, die vor großen Höfen aufgebaut sind. Ansonsten fällt uns noch der Baumschmuck des Dorfes im Besonderen auf. Wir sehen hier ware Prachtexemplare von Kastanien und Rüstern. Hier und da sitzt auch noch ein gemütliches Strohdach auf einem bäuerlichen Anwesen. Etwas versteckt auf einer sanften Anhöhe liegt der Friedhof, bei dem vor einiger Zeit auch das Ehrendenkmal für die im Weltkrieg gebliebenen aufgestellt wurde, auf dem wir zwölf Namen lesen.
Durch das Dorf geht der Landgraben, der in die hart an Gussow vorüber kommene Dahme fließt; vielmehr tritt bei Gussow die Dahme aus dem Dolgensee heraus und besinnt sich wieder eine zeitlang als schmaler Flusslauf, bis sie sich schließlich im Krüpelsee bei Senzig erweitert.
Wenn nun auch die weißen Dampfer nach Gussow kommen, dann nehmen sie ihren Weg an Zeuthen, Zernsdorf, Kablow und Bindow vorbei.
Eigentlich sind das hier herum ja alles Ausflugsorte. Der eine liebt Kablow, der nächste steigt gern in Bindow aus und ein anderer wiederum fährt nach Gusow.
Die Weltgeschichte weiß sonst nicht viel von Gussow. Die Leute, die hier zu Fuß wandern, wissen, dass bei Gussow eine Fähre über die Dahme geht, aber nur im Sommer. Es ist schade, dass die Fährbetriebe hier herum so unregelmäßig in Betrieb sind, was vor allem jedoch der lange Winter bedingt, da es ja dann in dieser Gegend sehr verlassen ist und man nicht einen Menschen auf den Straßen antrifft, wie wir das auf unseren vielen dörflichen Streifzügen im Winter oft genug festgestellt haben.
Gussow hat aber durch das Berliner Stadtmissionsheim immer noch einen besonderen Anziehungspunkt. Es ist übrigens noch gar nicht allzu lange her, dass Gussow auf einer festen Landstraße zu erreichen ist, denn es war früher mit Gräbendorf genau so wie mit Bindow nur durch einen Landweg verbunden. Die Gräbendorf-Prieroser-Landstraße wurden 1867 erbaut.
Der Name Gussow hat im Laufe der Jahrhunderte viele Abwandlungen erfahren. Wir lesen da einmal „Guse“ und dann „Guso“. 1624 spricht man von „Guese“, und zwar werden in diesem Jahr 13 Hufen erwähnt, die von dem Schulzen und den Hüfnern bestellt wurden. Wir erkennen daraus, dass Gussow also schon ein uraltes Bauerndorf ist.
Der 30jährige Krieg hat auch nach hierhier viel Not und Elend gebracht, und wir hören weiter, dass von den einstigen 13 Bauern nur noch vier übrig geblieben waren, und zwar mit dem Namen Martin Heussigke, „der Setzschulze aus dem Sachsenland“, wie es heißt, ferner Jacob Hasse, Thomas Beiben von Prieros und Andrene Kersten.
Der große Kurfürst, dem es besonders oblag, das durch den Krieg so schrecklich entvölkerte märkische Land wieder zu beleben, ließ sich auch Gussow sehr angelegen sein und besetzte die wüst liegenden Hufen neu, so dass schon im Jahre 1671 hier wieder zwölf Bauern und auch vier Kossäten ackern konnten. Dann berichtet man, dass um 1700 ein Herr von Open Besitzer des Ortes ist. Weiter auf Seite 2»
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